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Die Gesundheitsideologie ist ein Vorwand für eine totalitäre Führung

Die Gesundheitsideologie ist ein Vorwand für eine totalitäre Führung Netzfund, Herkunft unbekannt

Ariane Bilheran ist Psychologin und auf die Untersuchung von Totalitarismus spezialisiert. In diesem Interview erläutert sie ihre Thesen zur gegenwärtigen Entstehung neuer totalitärer Strukturen weltweit. Ihr Blick auf die Zukunft ist sehr pessimistisch, doch auch erhellend.

Eine Übersetzung des Gesprächs mit Ariane Bilheran und Amèle Debey von der Schweizer Zeitschrift "L'Impertinent".

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Amèle Debey: Was fällt Ihnen als Doktor der Psychopathologie an der Situation, die wir seit 18 Monaten erleben, besonders auf?

Ariane Bilheran: Die Gewalt der Entscheidungsträger gegenüber der Bevölkerung, die Schikanen gegenüber der Bevölkerung auf allen Ebenen. Ideologie, Massenmanipulation, wirtschaftliche Gewalt, körperliche Gewalt, Zensur, Angriffe auf die Meinungsfreiheit.

Eines Ihrer Fachgebiete sind auffällige Verhaltensweisen der Macht. Gibt das, was gerade passiert, Anlass zum Nachdenken?

Ja. Bereits im April 2020 schrieb ich einen Artikel mit dem Titel "Gesundheitstotalitarismus: 'Es ist zu deinem Besten'... Das radikale Böse". Das war immer noch ein Schimpfwort, wir durften nicht darüber sprechen. Danach hat es sich aber trotzdem verbreitet. Später, im August, hatte ich das Bedürfnis, einen weiteren Artikel zu schreiben, den ich "Das paranoide Moment" nannte und in dem ich den Ausdruck "déferlement totalitaire" (totalitäre Welle) fand, der seitdem im Umlauf ist. Und im Dezember sprach ich im kanadischen Radio über den Totalitarismus, den wir derzeit erleben.

Dank meines Fachwissens habe ich die Symptome sehr früh erkannt: im ideologischen Charakter, d.h. die Darstellung einer falschen Fiktion als Wahrheit und von der Bevölkerung zu verlangen, diese Fiktion zu akzeptieren. Dann der Übergang zum Handeln: die Zwänge des Lockdowns, die Aufhebung der elementarsten Rechte; die ständigen Paradoxien.

"Das Leid, das der Bevölkerung zugefügt wird, hat mich sehr früh erschüttert."

In Südamerika zum Beispiel kann es nicht im Interesse der Gesundheit sein, Menschen daran zu hindern, zur Arbeit zu gehen, denn wenn man mehrere Monate lang kein Einkommen aus seiner Arbeit hat und keine Hilfe bekommt, ist das nicht gerade gesundheitsfördernd!

Das Leid, das der Bevölkerung zugefügt wird, hat mich sehr früh getroffen. Passenderweise gibt es in der Psychologie den Begriff der Spaltung, die darin besteht, ein Kollektiv in zwei irreduzible Populationen zu unterteilen, die sich nicht mehr verständigen können. Weil eine am ideologischen Tropf hängt. Sie können nicht mehr kommunizieren.

Ich war lange in Arbeitsorganisationen tätig. Wenn sie pathogen wurden und zu psychosozialen Störungen am Arbeitsplatz führten, fand ich die Mechanismen auf verschiedenen Ebenen. Die emotionalen Manipulationen, die Widersprüche, die Lügen, die Paradoxien in den Reden, die Komplexität der Realität auf ein einziges Paradigma, auf einen einzigen Parameter zu reduzieren: all das schien mir doch ziemlich verrückt zu sein.

Wir können feststellen, dass die reichsten Länder am unverhältnismäßigsten reagiert haben. Hatten wir uns nicht in einer Art Komfort eingerichtet?

Ich weiß nicht, ob der erste Satz richtig ist. Denn Kolumbien ist kein reiches Land, und wir hatten sechs Monate lang einen extrem strengen Lockdown. Es gab viele arme Länder, in denen es sich auch so abgespielt hat.

Im Gegensatz dazu gab es in den westlichen Ländern Hilfsleistungen für die Menschen. Sie hatten also eher den Eindruck, dass es zu ihrem Besten war, weil man sie unterstützt hat. In diesem Punkt gab es dazu  also von Anfang an weniger Dissonanzen. Darin liegt wahrscheinlich der Unterschied.

Einige sind trotz allem der Meinung, dass diese Maßnahmen völlig gerechtfertigt waren.

Ich habe nur eine Frage an sie: Wir wissen, dass im Jahr 2020 allein in Südamerika über 20 Millionen Menschen durch politische Entscheidungen in die Armut gestürzt wurden. 2021 werden es fast 30 Millionen sein. Können wir uns um unsere Gesundheit kümmern, wenn wir in extremer Armut leben? Ist das wirklich gerechtfertigt? Handelt es sich wirklich um eine abwägende, ausgewogene Politik, die verschiedene Parameter berücksichtigt?

Hat Sie die Fügsamkeit der Menschen überrascht?

Ja und nein. Zunächst einmal denke ich, dass nicht alle Völker in gleicher Weise auf ihre Vergangenheit reagieren. Auf europäischer Ebene herrscht oft der naive Glaube vor, dass die Machthaber zu unserem eigenen Wohl da sind. Aus diesem Grund ist es sehr schwierig zwei Dinge in Frage zu stellen: Die Regierungen meinen es nicht gut mit uns und obendrein sie wollen uns wissentlich schaden.

Glauben Sie wirklich, dass die Regierungen uns wissentlich Schaden zufügen wollen?

Vielleicht nicht alle. Aber ich glaube, dass hochrangige Entscheidungsträger und vor allem die so genannten Philanthropen, die mit ihren Milliarden den Planeten in ein Paradies verwandeln könnten, uns schaden wollen.

Zu welchem Zweck?

Von dem Moment an, wo Sie den Großteil der Reichtümer auf Kosten der Mehrheitsbevölkerung beschlagnahmt haben, ist diese Bevölkerung eine Bedrohung für Sie.

Aber sie ist es doch, die das System am Laufen hält, nicht wahr? Sie brauchen uns notgedrungen.

Inwieweit sie uns brauchen, weiß ich nicht. Für mich ist das nicht offensichtlich. Wir werden als Umweltverschmutzer, als Parasiten angesehen. Ich denke, dass die Frage der Anhäufung von Reichtum in einem Stadium, das weder Sie noch ich uns vorstellen können, jeden Kopf verdreht, der vorher nicht solide verankert war. Sie schafft eine unermessliche Kluft zwischen den Armen und einer winzigen Minderheit einer extrem reichen Klasse, die beansprucht, dem Planeten alles mögliche zu diktieren. Und das macht die Regierenden zu einfachen Befehlsempfängern.

Es liegt auf der Hand, dass dies nicht geschehen wäre, wenn die Regierungen autonom wären. Der Handlungsspielraum während der Krise war jedoch recht begrenzt, da alle mehr oder weniger die gleiche Politik verfolgt haben. Und gewiß nicht im Interesse der Menschen.

Sie sagten kürzlich, es sei ein Krieg der Reichen gegen die Armen?

Ja. Auch hier denke ich, dass man den Baum an seinen Früchten erkennen kann. Es gibt eine immer stärkere Verarmung der Armen und eine immer stärkere Bereicherung auf der anderen Seite. Es gibt Leute, die durch die Krise sehr reich werden. Man hat die gewaltige Mehrheit der Weltbevölkerung in extreme Armut gestoßen, ohne sich um die Auswirkungen auf die Gesundheit zu kümmern.

Es besteht die Absicht, mit den Maßnahmen Schaden anzurichten, was übrigens in den Reden und den Projekten voll und ganz akzeptiert wird. Es mangelt dieser Mikrokaste von sehr, sehr reichen Menschen dem Rest der Menschheit gegenüber sehr stark an Empathie. Genau darum geht es übrigens beim Mobbing. Ein Teil der Bürger muss sich für das Gemeinwohl aufopfern. Dies ist eine totalitäre Logik. Wir stellen fest, dass diejenigen, deren Opfer gefordert werden, mehr oder weniger immer dieselben sind.

Es scheint, dass man die die Menschen dazu gebracht hat, die Folgen der getroffenen Maßnahmen mit den Folgen von Covid zu verwechseln. Man hat also ein Umfeld geschaffen, wo sie sich in diese freiwillige Knechtschaft begeben wollen, von der La Boétie sprach. Wie können wir diese Situation erklären?

In Bezug auf die politische Philosophie lässt sich dies dadurch erklären, dass ein totalitäres Regime unverhohlen und mehr oder weniger überall errichtet wurde. Hier und da stößt es auf Widerstand, aber das gehört zum Vorhaben.

Warum "totalitär"? Weil es auf die totale Beherrschung der Einzelnen abzielt, den Bruch der Klassen, der sozialer Zugehörigkeit, der Familien, bis hin zum Eindringen in die Intimsphäre der Person. Damit das totalitäre Projekt funktioniert, muss es seine Macht durch Terror aufrechterhalten, also braucht es einen Feind. Sichtbar oder unsichtbar. Gegen den Krieg geführt wird, um den Staatsterrorismus zu rechtfertigen. Auch um die Unterdrückung der Freiheiten und Rechten zu rechtfertigen. Es erfordert eine Ideologie. Einen Diskurs, der einen Feind inszeniert, gegen den wir in den Krieg ziehen werden und der uns angeblich in tödliche Gefahr bringt. Um dies zu erreichen, muss ein lügenhafter Diskurs konstruiert werden, der von der Realität der Erfahrung völlig abgekoppelt ist. Um aber eine gewisse Legitimität zu erhalten, muss er sich ständig erneuern. Das verhindert, daß er erstarrt und damit der Kritik ausgesetzt werden könnte.

Die Ideologie muss es schaffen, die Realität zu verändern. Dann ist nicht mehr die Realität der Erfahrung maßgebend. Mit der Ideologie wird die Erfahrung so verändert, dass sie der gerade gängigen Erzählung entspricht.

Wenn beispielsweise eine bestimmte Bevölkerungsgruppe als Paria, als Gefahr für die Nation angeprangert wird, wird dafür gesorgt, dass sie gefährlich wird. Sie wird wirtschaftlich ausgegrenzt, ihrer Rechte beraubt. Wenn bewiesen werden soll, dass sie eine Gefahr für die Gesundheit der Einzelnen darstellt, wird sie in prekäre hygienische Verhältnisse gedrängt, usw. usw. Bis schließlich die Realität der Ideologe entspricht.

"Es werden Voraussetzungen geschaffen, damit die Realität am Ende der Ideologie entspricht."

Im Jahr 2020 wurden die notwendigen Maßnahmen, um zu heilen, überhaupt nicht ergriffen. Im Gegenteil, die Menschen waren in Bezug auf ihre Gesundheit sehr exponiert. Ich habe vorhin das wirtschaftliche Beispiel genommen: Wenn man nichts zu essen hat, wenn man seine Rechnungen nicht bezahlen kann, wie schafft man es dann, sich richtig zu ernähren, Angst und Unsicherheit zu vermeiden, um seine Gesundheit und Immunität sowie seine Kinder zu schützen? Es handelt sich also keineswegs um eine Gesundheitspolitik, sondern um eine Politik der Prekarisieung , die in vielen Ländern der Welt stattgefunden und zu mehr Gesundheitsproblemen geführt hat.

Wenn es Ärzten verboten ist, etwas zu verschreiben oder zu behandeln, entstehen Krankheiten. Wenn man Menschen mit Dolipran nach Hause schickt, schafft man die Voraussetzungen dafür, dass die Realität der Ideologie entspricht.

Wie können wir erklären, dass die Mehrheit der Menschen dies alles nicht erkennt? Gibt es nicht eine Gehirnfunktion, die uns daran hindert, uns bestimmte Realitäten vorzustellen, die zu weit von unserer Denkweise entfernt sind, mit dem Risiko, völlig verrückt zu werden?

Ganz genau. Das ist mit Gewaltanwendung verknüpft. Es wurden wiederholt traumatische Schocks an die Populationen gesendet. Auf unterschiedliche Weise, mit unterschiedlichen Kulissen. Und diese traumatischen Erschütterungen wurden durch den politischen Diskurs und die getroffenen Entscheidungen hervorgerufen, deren Absurdität und Willkür den Menschen die Orientierung genommen haben. Es ist wichtig zu wissen, dass diese Gewalt zur Entwicklung von Abwehrmechanismen in der Psyche führt. Das beste Beispiel: Wenn Sie ein schweres Trauma erleiden, kann dies eine Amnesie auslösen. Dies ist ein Abwehrmechanismus. Oder man kann leugnen: Die Realität ist so unerträglich, dass ich sie mir nicht vorstellen kann.

Ich denke zudem, dass wir umso anfälliger sind, je weniger wir Gewalt erwarten, wie es in den westlichen Ländern der Fall ist, die an ein ausgeglicheneres Funktionieren gewöhnt sind. Die Realität der Gewalt zu leugnen oder sie zu rechtfertigen, wenn es dazu noch einen sehr verführerischen Diskurs gibt, wie zum Beispiel "wir tun das zu eurem Besten": Es ist sehr verlockend, sich darauf einzulassen. Ich denke, dass die Mehrheit der Menschen, und das ist ganz normal, nicht in der Lage sind, die Existenz der Gewalt, die das beinhaltet, zu verstehen oder zu akzeptieren; sie entwickeln sich psychologisch zurück und lassen sich vom herrschenden Diskurs vereinnahmen.

Es gibt auch einen großen Teil von Menschen, die es einfach vorziehen, sich keine Fragen zu stellen und dem Strom zu folgen, ohne zu versuchen, herauszufinden, ob das, was geschieht, normal ist oder nicht.

Ja, das ist das Beamtensyndrom. Das heißt, er zieht es vor, sein Denkfeld einzuschränken und auf die Aufgabe zu reduzieren, die er zu erfüllen hat. Denn wenn er wirklich darüber nachdenken müsste, was vor sich geht, würde er wahrscheinlich davon verrückt werden.

Ich denke, dass die Psyche die Menschen bis zu einem gewissen Grad vor diesem Kipppunkt schützt. Vor dieser psychischen Desintegration.

Wir sehen auch, dass dies keine Frage des Intellekts, des Wissens oder des Bildungsniveaus ist. Der ehemalige Philosoph Raphaël Enthoven* ist ein perfektes Beispiel dafür.

Zunächst einmal ist das mit psychologischer Solidität und nicht mit Intelligenz verbunden. Es ist mit der Fähigkeit verbunden, in verschiedenen Dingen verankert zu sein und mit der Einsamkeit umzugehen, auch wenn die Mehrheit der Gruppe in die Irre geht. Verankert in was? In der Beziehung zur Realität. Im Streben nach Wahrheit. Im moralischen Wert der Einsicht, dass man tatsächlich Menschen Böses antut.

Sehr heterogene Charaktere können zu der gleichen Bewußtwerdung finden, aber sie zeichnen sich alle durch mehrere Dinge aus: Erstens sind sie stark in der Realität verankert, Menschen, die über einen gesunden Menschenverstand verfügen, Menschen, die andere Bezugspunkte haben, einschließlich ihre Vorfahren, die es ihnen ermöglichen, die Geschehnisse auf eine andere Art und Weise zu bewerten und aus dem vorherrschenden Diskurs herauszukommen. Zweitens sind es Menschen, die die Legitimität der Autorität in Frage stellen; sie gehorchen nicht um des Gehorchens willen, sondern weil der Diskurs der Autorität einen Sinn hat. Und schließlich ist ihnen allen gemeinsam, dass sie sich nur mit einer Annäherung an die Wahrheit nicht zufrieden geben. Es gibt eine Suche nach Wahrheit, nach Verständnis. Und der vierte Punkt: Es sind Menschen, die in der Lage sind, mit der Isolation umzugehen. Denn an den Gegenwind zu denken, bedeutet derzeit, sich Schikanen, Isolation, Beleidigungen und Zensur auszusetzen, und dafür braucht man eine sehr große psychische Stärke.

Man muss sich darüber im Klaren sein, dass das System verrückt spielt, aber wenn man Teil des Systems ist, weil man Vorteile und Privilegien hat, und würde das Infragestellen der vorherrschenden Doxa bedeuten, dass man diese Privilegien und seinen Platz in den Gruppen, denen man angehört verliert (insbesondere den Peergroups), nicht jeder ist dazu bereit. Ich kenne Leute, die doppelte Reden halten. Öffentliche Reden und private Reden. Sie sind also nicht so naiv.

Trotzdem war ich geneigt zu glauben, dass Raphaël Enthoven diese Eigenschaften haben könnte.

Er gehört wahrscheinlich zu Zugehörigkeitsgruppen (z. B. der Pariser intelligentsia ), die er nicht bereit ist zu verlassen. Und diese Zugehörigkeitsgruppen haben sich dieser einen Treue verpflichtet. Das bringt jedermann in einen Loyalitätskonflikt.

Was bedeutet das?

Wir können sehen, welchen Preis bestimmte Wissenschaftler, bestimmte Akademiker und bestimmte Forscher dafür zahlten, dass sie die Wahrheit gesagt haben. Wenn man nicht bereit ist, diesen Preis zu zahlen, und wenn die eigene Gruppe implizit oder explizit die Befolgung des Dogmas verlangt, um zu den Privilegien des engsten Kreises zu gelangen, wird man auf eine Art Unterwerfung zurückgeführt, ob bewusst oder unbewusst.

Wenn Laurent Mucchielli** vom CNRS [Centre national de la recherche scientifique] gerügt wird, stellt sich die Frage: Von wem ist das CNRS abhängig? Wer hat Angst, seinen Posten zu verlieren? Ich glaube nicht, dass es dort nur indoktrinierte Menschen gibt, sozusagen. Ich bin mir sogar sicher, das Gegenteil ist der Fall. Es gibt jede Menge Interessen, Korruptionen, Ängste. Manche Menschen hindern sich selbst daran, Kritik zu üben, zu denken, um nicht diese Privilegien zu verlieren. Das Ironischste daran ist, dass es oft dieselben sind, die zur Verteidigung der Meinungsfreiheit in Frankreich aufgeschrieen haben.

Allgemeiner gesagt, ist die Zusammenarbeit von Intellektuellen mit totalitären Regimen nicht neu. Hannah Arendt drückte schon Anfang der 1930er Jahre ihren Abscheu vor den Intellektuellen aus; Klemperer war verblüfft über den Opportunismus mancher Akademiker; Günther Anders äußerte seine Verabscheuung gegen Heideggers aktives Kriechertums, zumal er über alle Mittel der politischen Philosophie verfügte, um über die Geschehnisse nachzudenken.

Sie haben auch gesagt, dass die Gesundheitskrise das Ergebnis einer Dekadenz ist, die schon vor langer Zeit begann. Was haben Sie damit gemeint?

Totalitarismus ist die Auffassung, dass Individuen austauschbare Zellen desselben Körpers im wörtlichen Sinne sind, mit der totalen Beseitigung und Ausrottung jeglicher Singularität. Singularität ist die Tatsache, dass ein Individuum keinem anderen auf der Erde vergleichbar ist. Dass jeder Mensch einzigartig ist, anders, in Teilhabe an einer gemeinsamen Menschlichkeit, bei der "mir nichts Menschliches fremd ist". Totalitarismus ist das Gegenteil davon.

In der Vorstellung, dass wir alle Zellen desselben Körpers sind, steckt der Gedanke, dass wir die Krebszellen opfern müssen, also jene, die sich vom Körper verselbständigen. Das Individuum ist also nicht per se heilig, sondern eher etwas, das bei Bedarf abgeschafft werden kann. Und ich denke, dass dies schon sehr lange im Gange ist. Es ist ein Verlust sowohl an Transzendenz als auch an Weitergabe, an moralischen und geistigen Werten. Und gleichzeitig ist es die Entweihung aller Individuen. "Ihr werdet nichts mehr verbergen können", lautet der totalitäre Vorschlag: das genaue Gegenteil vom Schamgefühl, Grundlage der Zivilisation nach Hegel. Wir müssen unsere Intimität verbergen, dies ist eine Pflicht, sie darf nicht entweiht werden, sonst versinken wir in der Barbarei.

Das ist schon lange im Gange, wie man an der Entwicklung des Managements am Arbeitsplatz und an der starken Vermehrung von Bildschirmen für Kinder sehen kann: Das sind Wege, das Subjekt völlig zu entwerten und seine eigenen Bedürfnisse zu negieren, um es zu einem guten Konsumenten zu machen. Die Menschen werden in Schubladen gesteckt, wo sie dann zumindest zu Produktionsmitteln werden, und wenn sie nicht mehr nützlich sind, wenn sie aus Sicht der kapitalistischen Produktion nutzlos sind, wirft man sie weg.

All dies steht im krassen Gegensatz zu den Werten, die das Fundament unserer Zivilisation bildeten, aber das ist schon lange im Gange.

Doch wer hat das alles in Gang gesetzt? Wie lange, glauben Sie, geht das schon so?

Das ist schwer zu sagen. Ich denke, es gibt ein Zusammenspiel mehrerer Faktoren, und das ist nicht vollständig: Erstens ist der Transhumanismus der Nazi-Bezug schlechthin, der des Übermenschen. Das bedeutet, dass der Nationalsozialismus bezogen auf seinen zentralen Wert, dem Streben nach materieller Unsterblichkeit und dem menschlichen Übermenschen, der gleichzeitig ein veränderter Mensch ist, nicht tot ist. Die grundlegende Ideologie ist nicht tot. Der Nationalsozialismus ist nicht völlig ausgerottet worden, er hat seine Nachkommen in den ideologischen Sekten von Macht, deren Bestimmung ist, sich auszubreiten und die auf Expansion aus sind. Ich denke, dass die Frage der Erringung einer weltweiten Macht auf ideologischer Ebene durch okkulte Sekten selten erörtert wird, aber sehr genau untersucht werden sollte. Aber das ist nicht genug.

Der zweite Punkt ist die technologische Entwicklung. Wir haben eine Ära erreicht – wir sind wahrscheinlich darin seit Hiroshima –, in der wir uns nicht mehr vorstellen können, was die von uns geschaffenen Werkzeuge zu leisten imstande sind. Die Menschheit bringt Ungeheuerlichkeiten hervor, denen sie zwangsläufig keinen Einhalt mehr gebieten kann, wie die Schaffung von Chimären***, das Klonen, der Genhandel usw. zeigen. Ich denke, auch das ist am Werk.

"Wir haben die Absetzung der Gegenmächte zugelassen."

Betrachtet man die Sache aus der Sicht des öffentlichen Bildungswesens, so hat man bewusst versucht, das Lernen bei den Kindern zu unterdrücken. Diese Alarmglocken wurden von Lehrern geläutet. Es gibt trotzdem eine Macht, die dafür sorgt, dass die Bürger gefügig gemacht werden. Aber das ist nicht neu. Es liegt in der Natur der Macht, Komplotte zu schmieden, um sich selbst zu erhalten. Das neue Problem besteht darin, dass wir die Absetzung der Gegenmächte zugelassen haben.

Vielleicht, aber das ist nur eine Hypothese, hat das Zeitalter des hemmungslosen Genusses und des Über-Konsums dazu geführt, dass die Menschen moralisch zusammenbrechen. Aber es ist kompliziert, diese Frage zu beantworten, und ich denke, dass die Veranlagung multifaktoriell ist. Gleichzeitig ist es aber fast unvermeidbar.

Die einzige Frage, die die Menschheit nach dem Zweiten Weltkrieg hätte beschäftigen müssen, lautet: Wie sind wir zu einem solchen Grad der Selbstzerstörung gekommen?  Die Leute haben sich nicht so sehr mit diesem Thema beschäftigt. Sie wollten das Leben zurückgewinnen; sie wurden dazu animiert, alles zu genießen, aber sie hätten sich damit beschäftigen müssen. Genauso die Tatsache, dass Staatsoberhäupter heute die Möglichkeit haben, neue Hiroshimas zu veranstalten, sollte uns beunruhigen. Günther Anders hat immer wieder die Alarmglocken geläutet. Warum haben wir die Fähigkeit zur Selbstzerstörung? Warum zieht es die Mehrheit der Menschen vor, im Genuss zu sein, statt in diesem Bewusstsein, das sicherlich sehr streng ist? Denn es macht keinen Spaß, sich die Frage nach unserer Verantwortung zu stellen. Es ist bequemer, sich in den Status eines Konsumenten zurückfallen zu lassen.

Haben Sie eine Antwort auf diese Frage? Warum sind wir an diesem Punkt angelangt?

Es gab, auf jeden Fall was die Entwicklung der Massentechnologie, der Werbung, des Marketings usw. btrifft, eine Ermutigung, eine Deregulierung, die dazu geführt haben, dass der Einzelne nicht mehr geschützt war, insbesondere vor dem Aufkommen dieser neuen Technologien, vor den Bildschirmen. Und sobald ein Gehirn und dessen verfügbare Zeit kontrolliert werden, ist jede mögliche Revolte seitens der Bürger kontrollierbar. Es ist ein bisschen wie in der Welt von Huxley.

Glauben Sie nicht, dass diese Krise auch eine Chance sein kann? Alles, was passiert, ist so krass, dass es nur eine Revolte auslösen und zu etwas Positivem führen kann, oder?

Ich weiß es nicht, vielleicht. Ich habe den Eindruck, dass es im Moment ein bisschen wie David gegen Goliath ist. Man kann immer auf ein Wunder hoffen.

Wie erklären Sie sich die totale Apathie der Linken? Und dass wir am Ende auf die Rechte oder sogar die extreme Rechte angewiesen sind, um die Maßnahmen abzulehnen?

Meine Antwort mag ein wenig simpel klingen, aber ich denke, dass die Politik die Wünsche der Menschen überhaupt nicht mehr repräsentiert. Es handelt sich um eine Kaste, die sich gemäß den von ihr verliehenen Initiationskodizes untereinander reproduziert und die das Volk längst verraten hat. Egal, um welche Kaste es sich handelt. Sie machen das aus Eigennutz. Staaten werden wie große Unternehmen geführt, mit Aktionären im Hintergrund und Leuten, die an das Steuerruder gesetzt werden. Sie werden ausgetauscht, wenn sie nicht mehr geeignet sind. Umfragen und Abstimmungen werden gelenkt und in einigen Ländern sogar manipuliert.

L'Impertinent hat mehrere Artikel zum Thema Kindesmisshandlung veröffentlicht, denn der Zustand, in dem sich die Generation von Morgen befindet, bereitet mir große Sorgen. Was ist Ihre Meinung dazu? Wie werden Erwachsene in 10 Jahren aussehen?

Was wir verstehen müssen, ist, dass die paranoide Psychose aus psychologischer Sicht eine Kette von Traumata, traumatische Dissoziationen und dann Schizophrenie hervorruft. Es besteht daher die Gefahr eines exponentiellen Anstiegs der Selbstmordrate und einer Zunahme von schizophrenen Erkrankungen bei Kindern. Dies ist dramatisch. Alle totalitären Systeme greifen Kinder systematisch an, indoktrinieren sie, ermutigen zur Denunziation, entzweien Familien, bringen Kinder gegen ihre Eltern auf und so weiter. Wir befinden uns in einer solchen Politik.

Ich beobachte, dass einige meiner Kollegen viel mehr Zeit damit verbringen, Verschwörungstheoretiker anzuprangern, als die wirklichen Probleme zu untersuchen, und ich frage mich, ob sie nicht einen Teil der Verantwortung für die Radikalisierung bestimmter Minderheiten tragen?

Was die Radikalisierung von Minderheiten angeht, so muss man verstehen, dass das totalitäre Regime in einem paranoiden Modus funktioniert. Aber die Paranoia ist überall. Es handelt sich um eine kollektive Struktur, nicht um eine einzelne Psyche. Es ist der Begriff des Misstrauens aller gegen alle. Es wird also in der Opposition Phänomene geben, die denen entsprechen, die von dieser berüchtigten Opposition angeprangert werden. Schließlich kann es für manche Menschen auch einen gespiegelten Wahn geben. Deshalb müssen wir immer vorsichtig sein mit den Vergleichen, die wir anstellen.

In der Gesundheitsideologie, mit der wir es zu tun haben, geht es um die Schaffung einer neuen Sprache. Diese enthält mindestens 60 neue Wörter und Ausdrücke, die sinnentstellt wurden. Von dem Moment an, in dem diese neue Sprache akzeptiert wird (wie der Begriff "Verschwörungstheoretiker", mit dem man glaubt, auf eine bestimmte Realität anzuspielen, aber ohne genau zu wissen, worum es sich dabei handelt; jeder legt in der Interpretation seine Subjektivität hinein), schafft dies eine Bindung an das System. Wenn die Gegner dieser allgemeinen Politik diese neue Sprache akzeptieren, werden sie zu deren Befürwortern. Es ist also sehr kompliziert. Wir können dies bereits auf auf einer sehr kleinen Ebene mit Anglizismen sehen. Der Begriff "narrativ" existiert im Französischen nur als Adjektiv. Der richtige Begriff wäre „narration“ (Erzählung). Dennoch haben wir, mich eingeschlossen, oft "narrativ" anstelle von "narration" verwendet. Dies ist sprachliche Kolonisierung.

All dies bedeutet, dass wir nicht mehr in der Lage sind, uns die Realität mittels unseres Erbes vorzustellen, das eine gemeinsame Sprache ist, die wir teilen. Obendrein haben wir nicht mehr die Fähigkeit, mit anderen zu kommunizieren. Dazu müssten wir in die neue Sprache eintauchen, welche aber nicht mehr in der Lage ist, die Wirklichkeit der Erfahrung zu beschreiben. Die Karten sind also gezinkt.

Seit fast zwei Jahren hören wir regelmäßig, dass die Krise bald vorbei ist. Wie wird es Ihrer Meinung nach enden?

Schlecht. Das Problem ist: Wenn man in die Ideologie einmal hinein geraten ist, läßt sie nicht mehr locker. Ich sehe zwei Möglichkeiten, wie diese Geschichte enden wird: entweder in einem Krieg oder in einer Selbstzerstörung, die sich nicht mehr verbergen lässt. Oder beides. Um der Ideologie zu entkommen, muss die Realität so schwierig sein, dass die Menschen aufwachen. Ein bisschen wie bei den Sekten, aus denen die Indoktrinierten aussteigen können, wenn ein ausreichend schwerwiegendes Ereignis eingetreten ist.

All dies wird böse enden. Mit einer Zunahme an Gewalt. Auch in der Opposition, die womöglich dem ähneln wird, was sie anprangert. Diejenigen, die die Theorie nicht verstanden haben, werden es in der Praxis lernen müssen. Wenn Sie leugnen, dass es eine Tür vor Ihnen gibt, müssen Sie sie mit voller Wucht ins Gesicht bekommen, um ihre Existenz zu akzeptieren. Hannah Arendt sagte, dass der Totalitarismus zusammenbricht, wenn die Massen aufhören zu glauben. Das Problem ist, dass wir nicht soweit sind.

Und wenn das in ein paar Monaten einfach aufhören würde, mit der vollständigen Aufhebung aller Maßnahmen, und wir uns endlich entscheiden würden, mit dem Virus zu leben?

Nein, denn die Gesundheit ist ein Vorwand für eine totalitäre Weltregierung. Zu einer totalen Kontrolle des Individuums, in seinen Bewegungen, in seinen Gedanken, in seinen Handlungen. Es wird nicht funktionieren, weil es nicht mit der menschlichen Natur vereinbar ist. Das heißt aber nicht, dass das alles nicht auch immensen Schaden anrichten wird. Dies ist bereits der Fall.

Anmerkungen des Übersetzers:

* Philosophischer Tausendsassa aus Frankreich mit eigener TV-Sendung und Dauerpräsenz in den Medien. Er vertritt z.B. die Ansicht: "Der Gesundheitspass ist keine Einschränkung der Freiheit, sondern eine Bedingung der Freiheit (...)"  . Der Salonphilosoph befindet sich damit in guter Gesellschaft mit Habermas, Chomsky etc.

** Laurent Mucchielli ist Forschunsleiter für den Bereich Soziologie am CNRS [Centre national de la recherche scientifique], einer großen staatlichen Forschungsorganisation, dem Forschungsministerium unterstellt. Er wendet sich u.a. auf seinem Blog gegen den "Gesundheitspass" und die "Impfungen". Hier ein Artikel von ihm zum Thema Covid 19 auf Englisch.

*** „(...)In der biomedizinischen Forschung werden auch künstliche Tier-Mensch-Embryonen hergestellt. Dabei wird menschliches Erbgut in Eizellen von Tieren eingeführt. Der daraus entstehende Embryo wird als Zytoplasmatischer Hybrid, kurz Cybrid bezeichnet und kann zur Stammzellenforschung verwendet werden. Dieses Verfahren ist ethisch umstritten(...) Im Jahr 2021 gelang das Heranwachsen (19 Tage ex vivo, danach kontrollierter Abbruch) von Mensch-Affe-Chimären nach Einbringen menschlicher pluripotenter Stammzellen in Blastocysten von Javaneraffen(…)“ Wikipedia

 

Übertragung aus dem Französischen: my nano und Nathalie Parent

 

Quellen und Verweise:
L'impertinent: « L'idéologie sanitaire est un prétexte à une gouvernance totalitaire »
Webseite von Ariane Bilheran

Blautopf: Chroniken des Totalitarismus — Wenn alles verrückt wird... 
Blautopf: Quand tout devient fou – Lockerungen damals und heute 

 


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