Verlage bekommen 200 Millionen Euro vom Staat

Verlage bekommen 200 Millionen Euro vom Staat Adobe Stock

Nach dem öffentlich-rechtlichen TV geraten auch die Printverlage in staatliche Abhängigkeit. Es geht nicht nur um Digitalisierung, sondern auch um Absicherung der Hofberichterstattung.

Im Juli 2020 hatte der Bundestag auf Antrag der Großen Koalition beschlossen, die Presseverlage mit bis zu 220 Mio. Euro, verteilt auf mehrere Jahre, zu unterstützen. Damit solle „die erforderliche digitale Transformation des Verlagswesens“ ins Laufen gebracht werden, erklärt das Wirtschaftsministerium (BMWi) in einem vierseitigen Papier. Das politische Ziel sei aber nicht „die Abkehr von Printmedien“, stattdessen solle den traditionellen Verlagen ein „zweites, zukunftsträchtiges Standbein“ finanziert werden. Und, um die Anrüchigkeit staatlicher Förderung für angebliche freie Printmedien zu verdecken, betont das BMWi, „die geplante Innovationsförderung muss sicherstellen, dass die Unabhängigkeit der Redaktionen gänzlich unberührt bleibt.“ Ein Rufen in den Wald, denn wie Bundesregierung und Altmaiers Wirtschaftsbürokraten dies anstellen wollen, konnten sie auch heute, nach einem halben Jahr, nicht erklären.

Zunächst einmal war die digitale Transformation in den Presseverlagen seit über drei Jahrzehnten ein Reizthema. Von Anfang an waren es zwei Knackpunkte, die den einst so mächtigen Verlegern einen möglichen Untergang immer wieder vor Augen führten. Ergaben sich seit den 1980er Jahren mit der Einführung von Computern und elektronisch gesteuerten Druckmaschinen scheinbar unschlagbare Vorteile der „Computerisierung“, so wandelte sich dieses Bild recht schnell. Durch die Entwicklung des Internets wanderten unaufhörlich Teile der Leserschaft zu Online-Angeboten ab. Vor allem die jüngeren Jahrgänge wandten dem einst vergötterten Printprodukt – was in der Zeitung steht, ist wahr und real – den Rücken zu. Zum anderen hat das Internet die Werbung, von der die Printverlage – Zeitungen wie Zeitschriften – Jahrhunderte gelebt haben, usurpiert. Vor allem das Geschäftsmodell von Google hat wie ein großer Staubsauger gewirkt, und den Verlegern den Stuhl unter dem Hintern weggezogen. Personalabbau, Pressekonzentration und halbherzige Internetauftritte halfen nicht, die Krise war nicht zu stoppen.

Aber warum fließt die Staatsknete gerade jetzt, im Jahr 2020 in die Taschen der Verleger? Natürlich hat sich die Krise in diesem Jahr noch einmal zugespitzt. So haben etwa die großen Magazine Spiegel, Stern und Focus, aber nicht nur sie, an Vertrauen und Leserschaft verloren. Der Prozess des Verlustes der Glaubwürdigkeit ist nicht so leicht auszumachen, weil er sich nicht immer oder nicht immer sofort an den Auflagen festmachen lässt. Deswegen ist es notwendig, den Blick auf weitere Gesichtspunkte dieses Wandels im traditionellen Pressewesen zu richten. Denn hinter der Krise, die als „Coronakrise“ banalisiert und camoufliert wird, steht die „normale“ zyklische Krise unseres Wirtschaftssystems.  Seit 1800, also dem Beginn der Industrialisierung, gab es fünf solcher Zyklen, die aus Aufschwung, Boom, Abschwung und Krise bestehen. Sie gelten in der Volkswirtschaft als gesetzmäßig, auch wenn das heute durch Corona verschleiert wird.

Diejenigen, die die Weltwirtschaft steuern – wie immer sie das auch tun – sehen den zukünftigen sechsten Zyklus als das Zeitalter der Digitalisierung. Sie gehen davon aus, dass nur diejenigen Unternehmen und Konglomerate überleben werden, die so schnell wie möglich den digitalen Highway befahren. Die Printmedien hatten erkennbar massive Probleme, sich diesem Trip anzuschließen. Denn aus ihrer Sicht ist es ein Spagat, dem Leserpublikum, das erst zum Teil auf digitale Produkte abfährt, sondern vielfach auf dem gewohnten Stück Zeitungspapier besteht, beide Varianten anzubieten und zu liefern. Sie galten und gelten daher als „konservativ“. So ist in der jetzt beschlossenen „Staatshilfe“ auch ein Gutteil Nachhilfe zu sehen, mit der die Verleger in die digitale Spur gezwungen werden sollen. Man kann, ohne Prophet zu sein, davon ausgehen, dass damit die letzte Etappe der guten alten Zeitungen und Zeitschriften eingeläutet worden ist. Gewissermaßen im vorauseilenden Gehorsam haben die Verleger sich bereits mit einer Hofberichterstattung sondersgleichen erkenntlich gezeigt.

Aber es gibt noch einen weiteren Aspekt, der genannt werden muss. In den letzten vier bis fünf Jahren sind die ersten alternativen Medien entstanden, die in den Auseinandersetzungen um Corona einen nie erwarteten Aufschwung erlebt haben. Sie sind bis auf wenige Ausnahmen nicht an das bedruckte Papier gebunden, gehen sehr flexibel mit den unterschiedlichen Medien um, ja beherrschen die Klaviatur der unterschiedlichen medialen Kommunikationswege in einem Maße, wie sie es in den traditionellen Verlagen überhaupt nicht kennen. Vor allem haben sie bei ihrer „Kundschaft“ ein völlig anderes Standing als die alten, abgewirtschafteten Verleger. Sie genießen Vertrauen, sind aber auch Teil einer ungemein lebhaften Diskussions- und Kommunikationskultur. Um Flaggschiffe wie KenFM oder Rubikon gruppieren sich viele weitere Informationsportale und Blogs, die immer mehr Leser und Follower finden.

Ein gravierender Unterschied zwischen alten und alternativen Medien offenbart deren wirtschaftliches Gebahren. Während die ehemaligen Platzhirsche der alten Kommunikation nach wie vor in Kategorien der Konkurrenz und der Übernahme von Konkurrenten denken, ausgeklügelte Bezahlschranken erfinden und dem Publikum unterjubeln, finden die Alternativen zu einer neuen Art der Kooperation und des Vertrauens. Sowohl untereinander wie mit der Leserschaft. Bezahlschranken sind kein Mittel der Finanzierung, stattdessen wird per Crowdfunding Geld gesammelt, aber auch der Leserschaft vertraut, dass sie aus freien Stücken auf den veröffentlichten Konten ihren Obulus hinterlässt. Die Leser wissen, was diese neue Art der Kommunikationen ihnen wert ist. Und das funktioniert immer besser. Natürlich ist die Staatsknete für die Altverleger auch eine kaum verschleierte Unterstützung gegen die Alternativen. Aber es geht hier nicht nur um Auflagen und Klickzahlen. Es ist ein Kulturkampf, der viel tiefer geht.


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