Eugen Drewermann - Aufstehen gegen den Hass

Bekannt ist er für seinen Streit mit konservativen Zweigen der katholischen Kirche, die ihn mit der Suspension vom Priesteramt und einem Lehrverbot straften.

Er ist Philosoph, Theologe und Psychoanalytiker -- und ein Kämpfer gegen den Krieg und wichtiges Mitglied der Friedensbewegung.

Von ihm gehört hatte ich schon, all die Jahre. Doch war es ähnlich wie mit einem Fußballer, dessen Dopingskandale und Vereinswechsel man mitbekommt, jedoch ohne je ein Spiel mit ihm gesehen zu haben. Das Lehr- und Predigtverbot ging durch die Medien, die theologischen Inhalte aber gingen an mir vorbei. Mittlerweile ist er 80 Jahre und zu einer Beschäftigung meinerseits mit seinen Überlegungen und mit ihm als Mensch hat es wohl Corona gebraucht.

Seine Gedanken sind tief und seine theologischen Überlegungen hier darzustellen würde zu weit führen. Eine Kernaussage ist, dass Gott in der Liebe zu finden ist. Diese kann die Naturwissenschaft mit ihren Methoden nicht erfassen, womit sich der klassische Widerspruch zwischen ihr und der Religion aufhebt. Vor diesem Hintergrund müssen jedoch Phänomene wie die Jungfrauengeburt oder biblische Wunder neu gedacht werden -- die Konflikte mit der Kirche waren vorprogrammiert.

Drewermann hielt diese Konflikte aus und stand öffentlich zu seinen Überzeugungen, während die meisten kirchlichen Würdenträger ein Leben lang in einem Elfenbeinturm der Theorie verharren. Sie erheben ethische Forderungen nur in einem genau abgewogenen Maß, das sozial und politisch verträglich ist und das ihr Ansehen und ihre Karriere nicht gefährdet. Drewermann dagegen hat sich immer auch politisch geäußert. Wie lautet die Antwort auf die Frage "Wie wollen wir eigentlich Leben"? Seine Antwort wäre wohl ein Leben in Liebe, in gegenseitiger Achtung, in einer intakten Natur mit Respekt vor den Tieren. Konsequent streitet er gegen Kriege und Kriegspropaganda, kritisiert den Kapitalismus und die freie Marktwirtschaft mit ihrem Gebot des ewigen Wachstums. Er engagiert sich für den Umweltschutz und für ein würdiges Leben der Tiere, die für ihn mehr sind als nur ein gottgegebenes Nahrungsmittel.

In seinem Vortrag "Aufstehen gegen Hass! Ein Appell in Zeiten von Corona" legt er viele dieser Grundlagen dar, hinterfragt die Erziehung und unser Menschenbild. Er wendet sich gegen das klassische Gut-Böse-Denken und dagegen, dass wir bei Kriegen und Auseinandersetzungen immer gesagt bekommen, wir seien die Guten -- bis wir es am Ende dann auch Glauben. Es braucht aber das Verständnis der anderen Seite, um Hass und Krieg zu verhindern.

Erst in der zweiten Hälfte geht er auf die Corona-Situation ein, hinterfragt die gerade gelebte "Menschlichkeit" und unseren Umgang mit der Situation einer viralen Bedrohung. Erst wenn die Menschen nach dem naturgegebenen Tod nichts mehr sehen, muss man ihn um jeden Preis bekämpfen:

"Am Ende wartet der Tod, und weil das so ist, müssen wir dagegen kämpfen, haben die Ärzte die Pflicht uns zu schützen, machen wir sie in einer gottlosen Welt zu Göttern in weiß. [...] Sie werden sie [die Krankheiten] besiegen müssen, dafür sind sie da. Wofür zahlen wir Steuern -- ich frage sie -- wofür haben wir eine Demokratie, wenn nicht dafür, das Volk zu schützen vor jedweder Krankheit."

Aber wollen wir uns wirklich eine zweifelhafte, staatliche Sicherheit erkaufen, um den Preis einer wachsenden Überwachung und einer immer stärkeren Beschneidung unserer Freiheit?

Drewermann hat viel zu sagen, die Rede ist lang und nicht immer einfach. Wer es sich aber zutraut, eine Stunde lang konzentriert zu bleiben, dem eröffnet ein herausragender und empathischer Redner eine ganz andere Sicht auf Corona, auf die Welt und das Menschsein -- eine Sicht so ganz weit weg von der Virologie.

 

Quellen und Verweise:
Aufstehen gegen den Hass
SRF - Interview zum 80. Geburtag
YouTube-Kanal von Drewermann
Drewermann in der Wikipedia



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