Testpflicht an Schulen – Leserbrief eines Vaters an die Marbacher Zeitung

Testpflicht an Schulen – Leserbrief eines Vaters an die Marbacher Zeitung Bild von Gerd Altmann auf Pixabay

Update vom 4.05.2021: Peter Streiff und andere Eltern haben am 27.04.2021 einen offenen Brief u.a. an Ministerien und die Kinderkommission des Bundestages geschrieben:

"Für eine verlässliche Schule unter Wahrung der Verhältnismäßigkeit. Keine Schnelltests – Notwendigkeit eines Bildungsgipfels"

Der Brief ist ganz unten angehängt.

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Peter Streiff ist Vater von Schulkindern und mit der Einführung der Testpflicht nicht einverstanden. In dem folgenden Leserbrief, der in der Ausgabe vom 22.4.2021 in der Marbacher Zeitung veröffentlicht wurde, erklärt er warum.

Blanker Hohn

Seit diesem Montag, 19. April, gibt es in Baden-Württemberg eine Testpflicht für Schülerinnen und Schüler, verkündete der Amtschef des Kultusministeriums per Brief. Und dies sozusagen in vorauseilendem Gehorsam, da die umstrittene Änderung des Infektionsschutzgesetzes auf Bundesebene noch gar nicht beschlossen ist. Kindern droht der Ausschluss vom Unterricht, wenn Eltern den Test für unverhältnismäßig halten.

Sowohl die Landesregierung als auch die ausführenden Schulleiter ignorieren mit dieser Testpflicht die Meinung bedeutender Institutionen und Fachverbände:

  • Erst kürzlich erneuerte das Robert-Koch-Institut (RKI) seine Aussage, dass Schülerinnen und Schüler als „Motor“ des Pandemiegeschehens keine Rolle spielen.
  • Die Weltgesundheits-Organisation empfiehlt, Corona-Tests nicht zur Diagnose, sondern nur in Verbindung mit Krankheitssymptomen einzusetzen.
  • Außerdem lehnt der Bundesverband der Kinder- und Jugendärzte gemeinsam mit drei anderen medizinischen Fachorganisationen die Schnelltests klar ab, hauptsächlich weil die psychologischen Auswirkungen auf die Kinder unterschätzt würden.

Die Ärzte warnen in ihrer Stellungnahme eindringlich vor einer „invaliden Testmethode“, wenn in Schulen Kinder ohne Krankheitssymptome getestet werden. Diese Aussage wird durch das „epidemische Bulletin“ des RKI vom 25. Februar 2021 mit konkreten Rechenbeispielen drastisch untermauert:

Bezogen auf die Werte der am Friedrich-Schiller-Gymnasium angewendeten Schnelltests besagen sie, dass bei 200 Infizierten pro 100.000 asymptomatischen Testpersonen durchschnittlich etwa 82 Prozent der positiv Getesteten ein falsch-positives Ergebnis erhalten. Die errechnete Zahl hänge jeweils ab von der Sensitivität und Spezifität der nicht neutral geprüften Antigen-Tests. Zudem sei der Test „immer nur eine Momentaufnahme“ und könne am Folgetag ein anderes Ergebnis zeigen.

Im Schulalltag würde dies bedeuten, dass acht von zehn Kindern, die nicht krank – und daher auch nicht ansteckend sind – mit einem positiven Testergebnis fälschlicherweise in Isolation geschickt werden, oft noch mit einigen Kontaktpersonen.*

Dass die Tests Sicherheit geben sollen, wie die Landesregierung und einige Schulleiter beteuern, kann angesichts der RKI-Zahlen nur als blanker Hohn bezeichnet werden. Das Gegenteil ist der Fall:

Die massenhaft durchgeführten Tests an asymptomatischen, gesunden Menschen treiben zum einen zynisch-zuverlässig die „Inzidenz“-Werte nach oben, sie führen gleichzeitig ebenso zuverlässig zu noch größerer Verunsicherung. Von einer Gemeinschaft, die „Vielfalt und Individualität“ fördert, wie es beispielsweise im Leitbild des Marbacher Friedrich-Schiller-Gymnasiums steht, ist nicht mehr viel übrig geblieben. Wann spielt die Verhältnismäßigkeit der Mittel wieder eine Rolle?

Peter Streiff, Erdmannhausen

* Das angeführte Rechenbeispiel basiert auf der RKI-Grafik „Corona-Schnelltest-Ergebnisse verstehen“, die für die Berechnung eingesetzten Werte 99,13% (Spezifität) und 95,37% (Sensitivität) entstammen dem Beipackzettel des am Friedrich-Schiller-Gymnasiums Marbach eingesetzten Antigentests „Hotgen“. Laut RKI-Berechnung sind je nach Infiziertenzahl und Sensitivität/Spezifität des Schnelltests auch 98% Falsch-Positive möglich. Das Familiengericht in Weimar lehnte in seinem Urteil vom 8.4. u.a. die Schnelltest für Schüleri:nnen mit folgender Begründung ab:

„Die verwendeten PCR-Tests und Schnelltests sind für sich allein prinzipiell und schon im Ansatz nicht geeignet, eine 'Infektion' mit dem Virus SARS-CoV-2 festzustellen.“

Ergänzende Hinweise für die Redaktion (bzw. Quellen des Leserbriefs):

Informationsbrief des Kultusministeriums vom 14.4.2021
Stellungnahme der Kinder und Jugendärzte (u.a.)
RKI zu „Schüler nicht als Motor des Pandemiegeschehens"
Empfehlung der WHO vom 20.01.2021
Epidemisches Bulletin des RKI vom 25.2.2021 (v.a. Seite 4):
Corona-Schnelltest-Ergebnisse verstehen, Inhalte des epd. Bulletins leichter verständlich als Infografik

 


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