Blautopf – Kärtchen für mehr Transparenz

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Warum eigentlich per Brief wählen?

Noch bis 2008 musste die Teilnahme an der Briefwahl begründet werden. Jetzt machen sogar Internet-Konzerne dafür Werbung.

Was passiert hier eigentlich?

Am 14. August 1949 wählten die deutschen Bürger und Bürgerinnen den ersten Bundestag [1]. Doch erst 1957 wurde in Deutschland die Briefwahl eingeführt aus gutem Grunde: Man wollte allen  also auch denen, die aus triftigen Gründen nicht persönlich in das Wahllokal kommen können die Stimmabgabe ermöglichen. Allerdings mussten diese Gründe bei der Beantragung der Briefwahl angegeben werden. Seit 2008 ist die Briefwahl bei der Bundestags- und Europawahl auch ohne Vorliegen triftiger Gründe möglich [2].

Dabei hat das Zögern bei der Briefwahl einen tieferen Hintergrund, der in der Funktionsweise einer Demokratie begründet liegt: Jeder Bürger muss die Möglichkeit haben, seine Stimme frei und unbeeinflusst abgeben zu können. Den dazu nötigen Raum bilden die Wahllokale und insbesondere die Wahlkabinen mit ihrer durch die Wahlhelfer und Wahlbeobachter gesicherten Umgebung. Denn am Stammtisch oder in der heimischen Küche, unter den Augen von Freunden oder eines Familienoberhauptes (m/w/d) wird das Kreuz eben doch nicht so frei und unbeeinflusst gemacht...

Würde man es ganz genau nehmen mit der Wahl, müsste es sogar eine Wahlpflicht geben. Nur so wäre sichergestellt, dass niemand daran gehindert wird, zur Wahl zu gehen. Doch auch wenn Bundesregierung und Parlament stets sehr bemüht sind, ihr "demokratisches" Grundverständnis zu betonen  insbesondere dann, wenn es dazu dient, bestimmte Länder oder Personengruppen zu diffamieren –, scheint sich über diese Änderung des Wahlverständnisses niemand Gedanken zu machen.

Es ist einfach ein weiterer Baustein, unsere Demokratie zu schwächen. Und die ist in Deutschland ohnehin sehr schwach, ohne Elemente direkter Demokratie und mit eingeschränktem Demonstrationsrecht. Nicht einmal den Bundeskanzler oder gar die Minister lassen sich direkt wählen.

Was aber dieses Jahr verblüfft, ist die Präsenz der Briefwahl auf Wahlplakaten, in Parteiinformationen und auf den Seiten der Post. Sogar der Verein "Mehr-Demokratie" wirbt in einem Rundbrief dafür -- obwohl er es besser wissen müsste. Selbst bei YouTube wird die "Anleitung" in einer großformatigen Anzeigen ungefragt angeboten.

Doch welches Interesse haben Parteien, Organisationen und selbst kommerzielle Internet-Monopolisten daran, diese wenig demokratische Briefwahl zu bewerben?

Ich weiß es nicht.

Doch wenn genug Bürger die Briefwahl nutzen, wird Deutschland dann den Kauf von Wahlmaschinen überlegen? Zu befürchen ist schon, dass manche Menschen auch bei uns gerne diese Geräte einsetzen würden, die schon im amerikanischen Wahlkampf für Wirbel gesorgt haben  hier zitiere ich mich einfach einmal selber:

"Diese arbeiten mit Computern, die ein Windows-Betriebssystem verwenden. Nun ist gerade diese Software von Microsoft für seine Sicherheitslücken genauso bekannt, wie der Hersteller für seine nicht besonders sauberen Praktiken bei der automatischen Installation potentiell unerwünschter Software. Schon allein das ist bedenklich, doch darüberhinaus sind die Wahlmaschinen anfällig für Viren und lassen sich  zumindest prinzipiell  über eine Schnittstelle wie USB oder Ethernet konfigurieren." [3]

Doch gerade Regierungen und Parteien, die immer vehementer und offener einen Kurs in Richtung von mehr Kontrolle, mehr Macht und mehr Zensur fahren, sollten diese Spielzeuge besser nicht in die Hände bekommen.

Ich bleibe lieber bei der altmodischen, schützenden und freiraumschaffenden Wahlkabine.

Quellen und Verweise:
[1] Wikipedia: Geschichte der BRD
[2] Wikipedia: Briefwahl

[3] Blautopf: YouTube zensiert den amerikanischen Präsidenten

 


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